Mehr Einhörner auf Demos!

Dieser Post bezieht sich auf einen Artikel von Jennifer Stange im Kreuzer Leipzig.

Wer „Manöverkritik“ äußern möchte, und das behauptet die Autorin zu tun, sollte eben auch unterschiedliche Manöver differenzieren. Schon die Einleitung des Artikels von Jennifer Stange ist in dieser Hinsicht enttäuschend, vermischt sie doch die Dresdner „Neujahrsputz“-Aktionen mit dem Transparent des weinenden Einhorns im Bild. Bürger*licher Protest mit zugegebenermaßen ziemlich unsauberen Reinhaltungsfantasien ist aber etwas völlig anderes als die satirischen, emotionalisierenden Glitzer-Antifa-Aktionen (respektive die der Partei Die PARTEI).

Stange begeht – absichtlich oder nicht sei mal dahingestellt – den gleichen Fehler wie bürger*liche Gegendemonstrant*innen bzw. die dahinterstehen Organisator*innen aus etablierten Institutionen – Parteien, Kirchen und (ein Großteil) der Gewerkschaften. Sie geht grundsätzlich davon aus dass es legitime Protestformen gibt (hier: „die inhaltliche Auseinandersetzung“) und illegitime („der Spaß beim Protestieren“ oder unkonventioneller Protest im Allgemeinen). Sie versucht sich mithilfe einer literarischen Metapher gegen den Vorwurf der Nestbeschmutzung zu verwehren. Letztendlich behauptet sie, dass wenn Menschen sich in den sprachlichen Diskurs der „Reinigung“, des „Lichtausknipsens“ etc. begeben, dies die Sichtbarkeit der Rassist*innen bzw. des Rassismus verhindert.

Das halte ich für ziemlichen Blödsinn. Rassismus wird dadurch unsichtbar, dass sich Menschen nicht damit konfrontieren. Die beste Möglichkeit, sich der Auseinandersetzung zu entziehen ist, einfach zuhause zu bleiben. Das tun aber weder die Menschenketten-Straßenkehren-Lichterausknips-Protestierenden noch Aktivist*innen der PARTEI, und Antifa-Aktivist*innen erst recht nicht. Wenn der kritisierte „kreative Protest“ mit seiner mobilisierenden Funktion plötzlich nicht mehr da wäre stünden die GIDA-Rassist*innen ungehindert da. Ich bin froh dass das nicht passiert. Jedes Heraustreten aus dem privaten Raum ist schon Auseinandersetzung und Handeln und damit meist automatisch besser als nichts zu tun.

Die Autorin fordert im vermeintlichen Gegensatz zu den erwähnten Protestgruppen, es solle doch „wirkliche Kritik“ geübt werden. Mit genau dieser Pseudoargumentation versucht das bürger*liche Lager Antifa-Protest (und damit einhergehende grundsätzlichere Herrschaftskritik) zu deligitimieren. Warum Pseudoargumentation? Weil der am ehesten sichtbare antifaschistische Protest, ob mit Einhörnern oder in Schwarz, bei Demos lange nicht aufhört. Vielmehr stehen dahinter Aktivist*innen, die sich und andere täglich sensibilisieren, Bildungs-Veranstaltungen organisieren, Wissen über menschenfeindliche Strukturen vermitteln und natürlich letztlich auch vor der direkten, unangenehmen Konfrontation nicht zurückweichen und so erst die Grundlage für den Protest legen, dem sich weniger politisierte Menschen dann auch anschließen können.

Ich weiß, dass die Menschen, die auf den Demos das Einhorn-Transparent hochhalten, sich jeden Tag „die Hände schmutzig machen“. Ihnen Verharmlosung vorzuwerfen ist ekelige Entsolidarisierung die nicht hinnehmbar ist.

Und weil Stange offensichtlich absolut nichts verstanden hat wenn sie von „Spaßtransparente[n], deren scheinbarer Spott ins Leere läuft, weil sie nicht zutreffen und auf nichts zeigen […]“ schreibt, hir noch eine kleine Erklärung: Einhörner, Eichhörnchen, Glitzer und weitere Protestsymbolik dieser Art steht für einen bunten, queeren, lebensfrohen, solidarischen und akzeptierenden Gesellschaftsentwurf. Bevor ein schreibender Mensch dies kritisiert oder ablehnt, sollte er*sie sich damit beschäftigen.

In einer Zeit abnehmender Partizipation sollen neue Protestformen und -symbole grundsätzlich begrüßt werden. Mehr Einhörner wagen!

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